Rebeccas Geschichte

Datum: 09.04.2015 | Kategorie(n): Stories

Ich bin Rebecca. Ich bin 1985 geboren. Im Alter von 20 Monaten wurde bei mir ein beidseitiges Retinoblastom entdeckt. Das linke Auge musste entfernt werden, da der Tumor bereits zu groß war. Für meine Eltern war dies damals natürlich ein großer Schock, da zwar in der Familie (Oma väterlicherseits und weiter entfernte Verwandte) an einem Retinoblastom erkrankt waren, jedoch mein Vater nicht darunter litt.

Ich kann mich an das ganze Procedere nicht mehr erinnern. Meine ersten Erinnerungen an die „Ausflüge“ nach Essen bestehen aus der Kindergartenzeit und diese sind keine schlechten. Ich hatte in der gesamten Schulzeit mit kleineren Schwierigkeiten in Bezug auf meine Prothese zu tun. Andere Kinder fragten immer wieder warum ich schiele, was mich aber immer nur dazu aufmunterte über meine Prothese zu sprechen.

Ich habe regelmäßige alte Prothesen mit in die Schule genommen und wenn es manch andere Kinder ganz genau wissen wollten, habe ich auch mein Auge vor diesen heraus genommen.

Dies war für mich immer ein wichtiger Schritt, da so alle Freunde dies kannten und somit auf Klassenfahrten und Ferienfreizeiten kein Problem damit hatten, mich auch mal ohne Auge zu sehen. Das Verhalten meiner Eltern war sehr von Vorteil: sie haben mir von klein auf beigebracht, dass meine Erkrankung kein Handicap sondern eine Besonderheit ist, welche nicht viele andere Kinder mit mir teilen.

Ich habe nach meinem Realschulabschluss noch mein Abitur gemacht, denn schon damals war mein Ziel ein Medizinstudium. Dieses konnte ich auch im Jahr 2004 beginnen. Und wie es im Leben ist, wenn man es am wenigsten erwartet, werden einem die meisten Steine in den Weg gelegt: unter den ärztlichen Lehrern kam immer wieder die Meinung auf, dass man mit einem Auge kein Blut abnehmen, keine Punktionen durchführen und auch nicht operieren könne. Doch ich habe es immer wieder bewiesen, dass es funktioniert und ich keine Einschränkungen habe. So kam es, dass ich im Jahr 2010 erfolgreich mein Studium beenden konnte und sogar meine Dissertation zeitgleich erhielt. Folgend arbeitete ich in der Inneren Abteilung eines Krankenhauses, ohne dass Probleme aufgetreten wären.

In meiner Freizeit begleiten mich bereits seit früher Jugend die gleichen Hobbys. Bereits seit mehr als 20 Jahren zählen Pferde und das Reiten zu meiner Leidenschaft und auch hier habe ich für mich noch keine Einschränkungen feststellen können. Lediglich in einem Kurs fiel dem Dozenten auf, dass mein Pferd wenn ich es auf meiner „blinden“, linken Seite führe an anderer Position läuft wie auf meiner „sehenden“, rechten Seite. Dies ist aber ein natürlicher Prozess, der in unserer Partnerschaft bisher zu keinen Problemen führte. Wahrscheinlich hat sich aber mein Pferd, als ich es bekommen habe, erst mal auf mich und meine Besonderheit einstellen müssen.

Früher habe ich auch gerne getanzt, was aber aus zeitlichen Gründen momentan nicht mehr möglich ist.

Für mich sicherlich im Leben bisher am aufregendsten war die Zeit der ersten Liebe. Hier traten auf einmal Fragen auf, über die ich mir vorher gar nicht so viele Gedanken gemacht hatte. Ich überlegte mir auf einmal wie es mein Freund aufnimmt, wenn ich es ihm erzähle, bzw. wie er wohl reagiert, wenn ich mein Auge nachts herausnehme. Doch auch hier kann ich sagen, dass je selbstverständlicher ich selber damit umgegangen bin, desto einfacher es auch für ihn war. Letztendlich denke ich, dass wenn es der richtige Partner ist, dass er einem auch so nimmt, wie man ist, denn sonst sollte man diese Beziehung eventuell noch mal in Frage stellen.

In dem gemeinsamen Lebensweg mit meinem Mann trat dann die Frage nach Kindern auf. Hier ist es schwierig einen generellen Rat zu geben, denn jeder Mensch und jede Partnerschaft ist einzigartig. Wir für uns haben entschieden, dass wir das Risiko eingehen und Kinder haben möchten, denn selbst das Leben mit einem Retinoblastom wäre für uns ein absolut lebenswertes Leben.

So kam es dass wir 2012 unsere erste kerngesunde Tochter Jule bekommen haben, welche meinen Gendefekt nicht geerbt hat. Dies war für uns eine sehr bewegende Zeit, bei jedem Lächeln unserer Tochter wissen wir, dass es sich absolut gelohnt hat.

So kam es dass wir uns relativ zeitnah entschieden haben, ein zweites Kind zu bekommen. Diese Tochter wurde nun im September 2014 geboren. Paula hat den Gendefekt von mir geerbt, ist zum aktuellen Zeitpunkt jedoch tumorfrei.

Als selbst betroffene Person aber auch als betroffene Mutter, kann ich viele Sorgen und Nöte anderer betroffener Familien nachvollziehen. Meiner Tochter werde ich versuchen vorzuleben, dass auch das Leben mit einem Retinoblastom ein sehr glückliches und lebenswertes Leben ist – so empfinde ich es. Schließlich sind wir alle Menschen, mit einer Besonderheit, in unserem Fall mit einer Besonderheit, die eben nicht so viele Menschen mit uns teilen!

09.04.2015 | Stories